Es gibt viele Singles, die ihr Singledasein genießen, gar keine Frage, aber viele bleiben auch unfreiwillig Singles. Woran liegt es, dass so viele trotz des Wunsches nach einer Beziehung und den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten heute dauerhaft allein bleiben? „Warum finde ich keinen Partner?“ – dieser Fragen gehen wir heute nach.
Inhaltsverzeichnis
Von der Kunst des Singlebleibens
Der Paarberater Michael Mary vertritt in seinem Buch „Wo bist du und wenn nicht wieso?“ die provokante These, dass Singles, die sich einen Partner wünschen, aber trotzdem allein bleiben, sich mehr oder weniger bewusst selbst für das Alleinsein entscheiden, indem sie immer wieder Partner „abwählen“.
Um zueinander zu finden und eine Beziehung eingehen zu können, müssen sich zwei Menschen erst einmal begegnen. Mit der Anbahnung von Kontakten haben die meisten – bis auf wenige sehr schüchterne – auch noch keine Probleme. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, jemanden kennenzulernen, sei es in der Freizeit, bei der Arbeit oder auch über das Internet.
Eine typische Kennenlernphase läuft meistens in drei Phasen ab:
- Sympathie vorhanden?
- Kontaktaufnahme
- Beziehungsanbahnung
Die erste Phase, das Erkunden von Sympathie, läuft meistens auch bei suchenden Singles recht normal ab. Sympathie ist eine Grundvoraussetzung für die Anbahnung einer Beziehung, obwohl es auch Paare gibt, die sich zuerst gar nicht mochten und bei denen sich die Sympathie und Liebe erst später einstellte. Viele Suchende scheitern in der Phase der Kontaktaufnahme, weil sie in Egofallen tappen, die sie selbst aufstellen.
Schnellgerichte und andere Egofallen
Wenn gegenseitige Sympathie vorhanden ist, kommt es zur Kontaktaufnahme, man telefoniert, verabredet sich, trifft sich und es kommt vielleicht sogar zu mehr. Hier lauern schon die ersten Egofallen, denn suchende Singles wollen so gut wie nichts dem Zufall überlassen, sie wollen effizient suchen und keine Zeit verschwenden. Und wer effizient sucht, muss möglichst in kurzer Zeit eine Auswahl treffen.
Fragt man sie nach ihren Erwartungen an eine Beziehung, so kristallisieren sich zwei grundlegende Forderungen heraus: Es soll funken und es muss passen. Eigentlich klar, denkt man. Aber wenn man die beiden Forderungen genauer unter die Lupe nimmt, werden hier eigentlich zwei unterschiedliche, fast gegensätzliche Voraussetzungen in einen Topf geworfen.
Fragt man Paare nach dem Beginn ihrer Liebe fragt, hört man meistens, dass es einfach gefunkt hat und man erst später festgestellt hat, dass man gut zusammenpasst. Oder die Partner waren sich sympathisch, kamen sich allmählich näher und es funkte auf den zweiten oder dritten Blick. Manche waren sich anfangs nicht mal sympathisch, hätten sich nie und nimmer eine Beziehung vorstellen können, aber dann funkte es doch. Auch das gibt es.
Alle diese Geschichten haben etwas gemeinsam: Die Beziehung hat sich durch gemeinsame Zeit und Geduld entwickelt. Aber genau das ist das Problem suchender Singles. Sie haben keine Geduld. Sie wollen keine Zeit verschwenden und möglichst schnell einen Partner finden, nein, nicht irgendeinen Partner, es muss schon DER TRAUMPARTNER sein. Man will sich schließlich nicht „unter Wert“ verkaufen. Aufgrund ihres Zeitdrucks und ihrer überhöhten Erwartungen ergeben sich dann folgende Forderungen:
Es soll funken und passen und zwar gleichzeitig und schnell!
Wie wir schon gesehen haben, entwickeln sich Beziehungen meistens zuerst aus einer Leidenschaft füreinander, dann spielt das Zusammenpassen noch keine Rolle und entwickelt sich vielleicht später, oder es ist zuerst Sympathie da und erst später wird mehr daraus. Selten ist alles auf einmal da. Singles auf Partnersuche wollen sich damit aber nicht zufriedengeben. Sie wollen alles auf einmal. Das liest sich dann vielleicht so:
„Ich bin jetzt 45. Ich habe keine Lust mehr auf die Sucherei. Ich habe nicht mehr die Geduld wie früher. Ich will jetzt endlich den Partner fürs Leben finden!“
(Quelle: Michael Mary, Wo bist du und wenn nicht, wieso?)
Was sagt die Frau damit? Sie will alles sofort und für immer. Geht das überhaupt ohne Suchen? Man kann zwar in der Welt da draußen Menschen finden, die einem sympathisch sind, aber ob es funkt und ob es passt, kann man eigentlich nur im direkten Kontakt miteinander herausfinden. Und das braucht Zeit, Offenheit und Geduld, wie man bei Paaren sieht, bei denen es erst auf den zweiten Blick funkt.
Da der suchende Single aber alles sofort haben will, muss er Kriterien für die Auswahl haben, die er in Form seiner eigenen Erwartungen in die Waagschale bringt und mit dem abgleicht, was der potentielle Partner bietet. Da sich selten alle Erwartungen auf einmal erfüllen, sortiert der suchende Single aus. Das kann dann so aussehen:
Ein 42-jähriger Mann hat einige schöne Nächte mit einer 38jährigen Frau verbracht. Als sie eines Morgens unvermittelt sagt, wie froh sie sei, „endlich einen Freund gefunden zu haben“, zieht er sich zurück und sortiert sie aus.
Eine 48-jährige Frau hat einen „fantasievollen, lebendigen, schlauen Kopf“ kennengelernt, mit dem sie sich hervorragend versteht. Sie wäre ihm gern näher gekommen, aber „er hat einen kleinen Bauch“. Es springt nicht sofort der Funke über und der Mann wird aussortiert.
(Beispiele aus Michael Mary, Wo bist Du und wenn nicht, wieso?)
Aus diesen Beispielen kann man erkennen, dass nicht beides auf einmal passiert und als Anlass zum Aussortieren genommen wird. Im Beispiel 1 ist zuerst die Leidenschaft da und es steht noch nicht fest, ob es passt, in Beispiel 2 sieht es aus, als ob es passen könnte, aber der berühmte Funke ist noch nicht übergesprungen. Theoretisch könnte er ja noch überspringen, aber dazu müsste man sich weiter treffen.
Als Mindestvoraussetzung wird aber ein „Kribbeln im Bauch“ angesehen, um sich überhaupt weiter einzulassen. Hat es sich vielleicht schon ein bisschen eingestellt, was ja an sich schon ein Glück ist, will ein suchender Single möglichst schnell feststellen, ob es auch passt und keine Zeit verschwenden. Und so kann man kleine Funken im Keim ersticken:
- Eine Frau lernt einen Mann in einem Internetforum kennen, findet ihn sympathisch, man schreibt sich eine Weile und möchte sich kennenlernen, auch wenn noch keine Fotos und Telefonnummern getauscht wurden. Und plötzlich legt die Frau den Fokus auf Rechtschreibung und Tippfehler des Mannes statt auf den Inhalt der Mails. Er wird in die Schublade „oberflächlich“ gesteckt und ist aus dem Rennen.
- Frau und Mann haben sich in einer Singlebörse kennengelernt und sich wochenlang gemailt. Sie ist von seiner Lockerheit und seinem Humor angetan. Beide haben Fotos getauscht, treffen sich. Beim Treffen stellt sich schon ein bisschen Herzklopfen ein, dann sieht sie, dass er weiße Tennissocken und Sandalen trägt. Das geht ja gar nicht. Er wird als „zu einfach und ohne Geschmack „ aussortiert.
Den Grund, warum viele angebahnte Kontakte in der Zeit der ersten Kontaktanbahnung wieder scheitern, sieht Mary im schnellen Aussortieren, das er als „Schnellgericht“ bezeichnet.
Das „Schnellgericht“
Um festzustellen, ob es bei einem Partner funkt und ob es mit ihm passt, stellen suchende Singles die potentiellen Partner vor ein Schnellgericht, bei dem es sofort zu einem Urteil kommt. In einer normalen Gerichtsverhandlung müsste ja ein Verteidiger einen Angeklagten verteidigen, nachhaken, was an weißen Tennissocken so schlimm ist und warum jemand keine Fehler machen darf, der Kläger müsste dann hinreichend begründen.
Der Single, der seinen Partner vor ein Schnellgericht stellt, entscheidet aber ausschließlich nach seinen eigenen Erwartungen, an denen der potentielle Partner gemessen wird. Besonders beim Speeddating, wo man nur ein paar Minuten Zeit für eine Kontaktaufnahme hat, kann man sehen, wie schnell Urteile gefällt werden. Das Gegenüber wird ruckzuck in Bezug auf eigene Erwartungen abgecheckt und auf Negativmerkmale untersucht. Das Ergebnis könnte sein, wie es der Paarberater Mary ausdrückt: Normalerweise sieht man den schönen Mund mit dem Pickel daneben, der suchende Single sieht den Pickel mit dem schönen Mund daneben.
Warum finde ich keinen Partner – Die Erwartungsfalle
Einer der Hauptgründe, warum suchende Singles immer wieder scheitern, ist, dass sie sich selbst und ausschließlich in den Mittelpunkt setzen. Das Herz fängt an zu rechnen.
„Was tun Sie, wurde Herr K. gefragt, „wenn Sie einen Menschen lieben?“
„Ich mache einen Entwurf von ihm“, sagte Herr K., und sorge dafür,
dass er ihm ähnlich wird.“ „Was? Der Entwurf?“ „Nein“, sagte Herr K., „der Mensch.“
(Bertolt Brecht)
Auf der Basis der eigenen Erwartungshaltung wird dann ein Traumpartner fantasiert, den es so in der Realität gar nicht geben kann, z. B. ein großer, gestandener, intelligenter Mann gesucht, der sich dominieren lässt und eine Frau als Mittelpunkt seines Lebens ansieht. Welcher gestandene Mann würde das tun? Oder ein Mann sucht „eine Mischung aus Claudia Cardinale, Rosa Luxemburg, Nina Hagen und Margot Käßmann, die männliche Dominanz prickelnd findet und keine Katzenhaarallergie haben darf…“. Da wird er vermutlich lange suchen…
Viele Singles legen auf der Basis ihrer eigenen Wünsche und Interessen wahre Checklisten fest und sondern mögliche Partner nach diesen Kriterien aus. Aber eine Partnerschaft kann nur entstehen, wenn sich zwei Menschen aufeinander beziehen und aufeinander reagieren, sie ist kein fertiges Produkt. Wenn man die Ansprüche und Checklisten in manchen Singlebörsenprofilen liest, fragt man sich, wo der Partner mit seinem Eigenleben noch Platz hat?
Schließlich hat er auch Wünsche an eine Beziehung. Wer seinen Fokus nur darauf richtet „Wer passt zu mir?“ ist nicht „in Beziehung“ zum anderen und sieht nicht, dass eine Beziehung gemeinsam gestaltet werden muss, dass Mr. oder Mrs. Right kein Allheilmittel und keine Garantie für dauerhaftes Glück ist. Die meisten Langzeitsingles glauben aber, dass sie nur den richtigen Partner finden müssen, dann stellt sich automatisch dauerhaftes Liebesglück ein.
Die Suche nach Mr. oder Mrs. Right
Unsere Konsumgesellschaft erweckt mit ihrer Mentalität „Alles ist möglich“ den Eindruck, dass jeder Mensch das Recht auf einen perfekten Partner und eine perfekte Partnerschaft hat. Mit anderen Worten: Man muss selbst gar nicht viel für eine Partnerschaft tun, man muss nur den richtigen Partner finden. Beziehungsarbeit ist nicht mehr in, ist lästig. Und so werden völlig überzogene Erwartungen an den Partner gestellt, die dieser gar nicht erfüllen kann, müsste er doch dafür sein Eigenleben aufgeben.
Wer nicht auf Dauer Single bleiben möchte, sollte seine eigenen Ansprüche einmal kritisch unter die Lupe nehmen und einem Realitätscheck unterziehen. Der Grund für die überhöhten Ansprüche kann auch in einer eigenen Unfähigkeit liegen, sich auf einen Partner einzulassen, der den eigenen Erwartungen nicht ganz entspricht.
Langzeitsingles sagen oft, dass sie einfach die „wahre Liebe“ noch nicht gefunden haben. Sie träumen davon, dass sich mit der wahren Liebe alle Probleme in Luft auflösen, sie sehen ihren eigenen Anteil nicht. Wenn eine Partnerschaft nicht funktioniert hat, dann war es eben nicht der richtige Partner und es wird weitergesucht. Beim nächsten wird alles anders. Vielleicht wartet man vergeblich…