Nicht selten werden Beziehungen folgendermaßen kommentiert:
„Die beiden passen so gut zueinander, gleich und gleich gesellt sich eben gerne!“ oder „War ja absehbar, dass die beiden zueinander finden. Ich sage es ja schon immer – Gegensätze ziehen sich an!“.
Beide Aussprüche haben ihre Berechtigung. Fast jeder wird solche und ähnliche Äußerungen schon des Öfteren gehört oder selbst verwendet haben, wenn es darum ging, die Qualität einer Beziehung einzuschätzen.
Die beiden Aussagen muten sehr antagonistisch an, daher wäre interessant zu wissen, welche der Wahrheit entspricht. Geht es in Beziehungen eher darum, sich selbst im anderen wiederzufinden oder doch darum, sich selbst um den Partner zu ergänzen?
Inhaltsverzeichnis
Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Partnerschaft
Die Persönlichkeit manifestiert sich in denjenigen Merkmalen und Eigenschaften, in denen sich eine Person konsistent und stabil von anderen unterscheidet. Sie stellt gewissermaßen ein Sammelsurium all dessen dar, was einen Menschen einzigartig macht; sein Temperament, seine Erfahrungen, Einstellungen, Wünsche, Wertvorstellungen etc.
Beschließen zwei Menschen, eine Beziehung einzugehen, treffen zwei einzigartige Persönlichkeiten aufeinander. Beide beeinflussen gleichermaßen die Gestalt der Partnerschaft und prägen deren Dynamik. Umgekehrt wirkt auch sie auf die Persönlichkeit der beiden Partner, da die Beziehung als Teil des eigenen Selbst mit in die Lebensgestaltung aufgenommen wird. Dieser Einfluss ist hingegen weniger nachhaltig als jener, den die Persönlichkeit auf die Partnerschaft hat.
Wer passt zueinander?
Unter Rückbezug auf die eingangs genannten Aussagen, kann nach wie vor festgehalten werden, dass beide Äußerungen zutreffend sind. Allerdings sollte deren Gültigkeitsbereich etwas spezifiziert werden:
Zu Beginn einer Beziehung oder auch während einer relativ kurzen Romanze gilt tatsächlich, dass sich „Gegensätze anziehen“. Die Unterschiedlichkeit beider Partner macht den Reiz aus; sich gegenseitig kennenzulernen, gegebenenfalls zu überraschen, gar zu schockieren und dadurch mit neuen Sichtweisen konfrontiert zu werden, ist spannend und weckt Leidenschaft.
Auf Dauer führt eben diese Unterschiedlichkeit aber dazu, dass die Beziehung auf keinen gemeinsamen Nenner kommt und sich langfristig nicht stabilisieren kann. Die Vorstellungen beider Partner sind in den Fällen, in denen die wesentlichen Persönlichkeitszüge stark divergieren, einfach zu weit voneinander entfernt. Daher sorgt die anfänglich geschätzte Andersartigkeit vermehrt für Konflikte, was kontraproduktiv für die Stabilität der Beziehung und die wahrgenommenen Zufriedenheit ist.
Diese ist dann umso höher, wenn Entsprechungen in Wert- und Normvorstellungen, der Intelligenz oder der physischen Attraktivität existieren. Selbstverständlich kann es auch Ausnahmen geben; wie hoch die Toleranz für Diskrepanz in einer Beziehung ist, ist schließlich ebenso persönlichkeitsabhängig. Tendenziell kann jedoch festgehalten werden, dass sich lieber „gleich und gleich“ gesellen sollten.
Annäherung der Persönlichkeiten im Verlauf einer Beziehung
In längeren Beziehungen ist häufig beobachtbar, dass Redewendungen, teilweise auch die Optik oder Hobbies, aneinander angepasst werden. Diese Sachverhalte scheinen ausreichende Indikatoren für die These zu sein, dass sich Partner nach gewisser Zeit immer ähnlicher werden. Studien zeigen jedoch eine Tendenz dahingehend, dass eine grundlegende Anpassung der Persönlichkeitseigenschaften nicht stattfindet. Zumindest nicht objektiv – subjektiv hingegen vollzieht sich ein interessanter Wandel:
Überschätzung der Ähnlichkeit zwischen sich selbst und dem Partner
Menschen neigen dazu, ihr Selbstbild auf den Partner zu projizieren. Daher werden sowohl aktuelle Affektzustände als auch überdauernde Persönlichkeitseigenschaften der eigenen Person auf den Partner übertragen. Entsprechend fiel die wahrgenommene Ähnlichkeit in Studien höher aus, als sie de facto war. Dieses Phänomen wird als eine Art Zufriedenheitsgarant erklärt:
Davon auszugehen, dass der Partner ähnlich denkt und fühlt, ist schlicht zufriedenstellender als eine konträre Annahme. Und das ist schließlich, was jeder möchte: eine glückliche, von Zufriedenheit geprägte Beziehung führen und in Liebe mit dem Partner vereint sein. Diesem Wunsch, der einen bedeutsamen Bereich des Lebens darstellt, versuchte sich der Soziologe Lee mit seiner Theorie der Liebesstile anzunähern.
Was ist Liebe?
Offensichtlich unterscheiden sich Personen dahingehend, was sie unter Liebe verstehen und wie sie dieses Gefühl gegenüber ihren Partnern ausdrücken. Auch unter diesem Aspekt kann nach dem Einfluss gefragt werden, den die Persönlichkeit auf die Art und Weise hat, wie wir lieben. Viele „Liebesforscher“ haben sich mit solchen und ähnlichen Überlegungen auseinandergesetzt. Manche gehen davon aus, dass Liebe schlicht Liebe ist, wobei keine speziellen Äußerungsformen unterschieden werden können.
Lee hingegen nimmt an, dass es verschiedene Arten der Liebe gibt:
Sechs Liebesstile
- Eros
- Ludus
- Storge
- Mania
- Pragma
- Agape
Die verschiedenen Stile unterscheiden sich hinsichtlich verschiedener Haltungen und Verhaltensweisen gegenüber dem Partner.
Eros ist eine sehr romantische Form der Liebe und mit dem gleichzusetzen, was gemeinhin als vollkommene Liebe bezeichnet wird. Ludus hingegen ist durch einen spielerischen Umgang miteinander gekennzeichnet; mehr oder minder mit der Wesensart kurzer Affären gleichzusetzen.
Storge als freundschaftliche Liebe herrscht bei denjenigen Beziehungen vor, die sich aus langer Bekanntschaft entwickelt haben; gemeinsame Hobbies und Interessen stehen im Vordergrund; die Sexualität spielt, im Vergleich zu beiden erst genannten, eine eher untergeordnete Rolle. Bei der besitzergreifenden Liebe (Mania) besteht hoher Exklusivitätsanspruch, was mit häufiger Eifersucht einhergeht. In drastischen Fällen wird der Partner als einziger Lebensinhalt gesehen und gleichermaßen als persönlicher Besitz erachtet.
Der Liebesstil Pragma basiert auf einer sehr funktionalen Ansicht; die Beziehung soll für beide Partner möglichst profitreich sein und einen gewissen Lebensstandard sichern. Im Falle der altruistische Liebe (Agape) wird das eigene Wohl zugunsten des Partners zurückgestellt; es geht primär darum, die Bedürfnisse des anderen zu befriedigen und ihn glücklich zu machen.
Liebesstile als Persönlichkeitseigenschaften
Studienergebnisse deuten darauf hin, dass es sich bei den Liebesstilen tatsächlich um relativ stabile Eigenschaften handelt. Entsprechend ist gleichgültig, in welcher Stimmungslage sich ein Mensch befinden oder zu welchem Zeitpunkt seines Lebens er dazu befragt wird – was unter Liebe verstanden und wie sie gezeigt wird, ändert sich nicht. Somit kann eher davon ausgegangen werden, dass unsere Persönlichkeit maßgeblich darüber bestimmt, wie wir lieben.
So wäre beispielsweise denkbar, dass…
- …egoistisch veranlagte Menschen Kontrolle wollen – auch in der Liebe (Mania).
- …gewissenhafte Menschen in jedem Lebensbereich nach Sicherheit suchen (Pragma).
- …altruistische und nächstenliebe Menschen andere glücklich machen wollen, v. a. den eigenen Partner (Agape).
Es sind insbesondere diese drei Liebesstile, die auch über verschiedene Partnerschaften hinweg als sehr stabil angesehen werden. Die anderen drei sind etwas flexibler und mehr vom jeweiligen Partner abhängig.
Zusammenhang zu anderen Persönlichkeitsmerkmalen
Da die Liebesstile in gewisser Weise als Artikulation der persönlichen Eigenschaften angesehen werden können, ist nicht überraschend, dass sich Zusammenhänge zu anderen Persönlichkeitsmerkmalen zeigen:
Unter anderem leben Menschen mit hohem Selbstwert eher die romantische Liebe, während jene mit niedrigem Selbstwertgefühl eher zu besitzergreifenden Formen tendieren. Menschen mit sehr ausgeprägter Neugier und Sensationslust neigen eher zur spielerischen Liebe, ebenso wie sehr extravertierte Personen. Die Liebesstile Agape oder Pragma werden zumeist von sozial einfühlsamen Menschen gezeigt.
Glückliche Beziehungen und Liebesstile
Dank des Wissens um Liebesstile ist möglich, eine gewisse Prognose dahingehend abzugeben, wie zufriedenstellend eine Partnerschaft sein wird. Intuitiv wird jeder einsehen, dass ein sehr besitzergreifender Liebesstil und die spielerische Liebe kaum zueinanderpassen, wohingegen Mania und Agapa sehr wohl funktionieren können. Ähnliches gilt unter anderen für Storge und Pragma oder Eros und Agape. Derartige Kombinationen können helfen, die Beziehung für beide Partner zufriedenstellend zu gestalten.
Selbst, wenn es so scheint, als würden Charakter, Persönlichkeit oder Einstellungen nicht zueinander passen, sollte dies kein Grund sein, eine bestehende Partnerschaft abrupt zu beenden: Denn solange beide Partner zufrieden sind, einander lieben und glücklich machen, sollte die Beziehung genossen und nicht auf vermeintliche Unstimmigkeiten hin untersucht werden!